Es werde Licht: Die ersten Steinheimer Straßenlaternen
Die ersten öffentlichen Laternen wurden in den Großstädten wie London und Paris bereits um 1662 zur Straßenbeleuchtung aufgestellt. Sie ersetzten die bis dahin benutzten mittelalterlichen Lichtquellen wie Fackeln, Öllampen, Kerzen und Kienspäne.
Die Steinheimer Bürger mussten jedoch noch etwas länger auf eine Straßenbeleuchtung warten. Eine äußerst umfangreiche Akte „Acta des Stadt Vorstandes zu Steinheim betreffend Straßenbeleuchtung und Handel mit Petroleum“ gewährt uns Einblick, wie die Stadt ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch Aufstellen von Laternen beleuchtet wurde.
Während man in den Großstädten die Aufstellung von Straßenlaternen gebührend feierte, wurde das lokale Ereignis 1859 in der Stadtchronik nur mit einem kurzem Satz abgetan: „Die erste Straßenlaterne in hiesiger Stadt wird neben dem Kumpe auf hiesigem Marktplatz aufgestellt“. Wie genau diese Laterne ausgesehen hat, wissen wir nicht, jedoch geben uns Prospektbilder aus der Akte eine Vorstellung davon.
Im Verlaufe der nächsten Jahre wurden nach und nach die Hauptstraßen der Stadt durch Laternen erhellt: „Die Beleuchtung der Straßen wurde durch mehrere neu angeschaffte Laternen verbessert“ (Stadtchronik 1867). Zu dieser Zeit hatte jeder Gastwirt vor seiner Haustür eine Laterne aufzuhängen, und jeder Fußgänger mußte ab Beginn der Dunkelheit eine solche in der Hand tragen: „Die städtischen Gebäude wurden in diesem Jahr sämtlich einer gründlichen Reparatur unterworfen. Für die Straßenbeleuchtung wurde bestens gesorgt. Im Jahre 1861 gab es hier nur eine officielle Laterne auf dem Marktplatze. In diesem Jahr unterhielt die Stadt schon 16 Laternen, und wurde jeder Gast- und Schenkwirth bei Strafe angehalten, an seinem Hause eine farbige Laterne zu unterhalten“ (Stadtchronik 1872). Auf Zuwiderhandlung war eine hohe Geldstrafe fällig.
Als Beleuchtungsmittel diente Petroleum, was allerdings importiert werden mußte und daher recht teuer war. Deshalb bat der bei der Stadt angestellte Laternenanzünder Henning im August 1886 um eine Lohnerhöhung und schrieb an den Stadtrat: „Wohllöbliche Magistrat, da ich für das Anstecken der Laternen monatlich einen Thaler erhalten soll, so trage ich gehorsamst darauf an, mir den Lohn dafür in etwa zu erhöhen. Ich erlaube mir deshalb meine Gründe hier kurz anzuführen. Ich muß täglich einmal rund um die Laterne zu putzen und Öhl aufzugiesen und das zweite Mal des abends zum anstecken, wobei ich auf der Handlaterne meinen eigenen Öhl verbrennen muß. Bei regnerischen Wetter ebenso bei Windsturm, wo die Laternen nicht leicht anzuzünden sind, muß ich oft stundenlang auf der Straße zubringen, auch sind noch mehrere kleine Arbeiten damit verbunden ...“. Hennig hatte Erfolg mit seinem Antrag, denn auf der Ratssitzung vom 25. Januar 1887 wurde beschlossen, ihm den Lohn um 20 Silbergroschen zu erhöhen. 1886 sowie 1887 war also die Straßenbeleuchtung durch Aufstellen mehrerer Laternen wesentlich ergänzt und verbessert worden. Danach wurde die Straßenbeleuchtung in der Chronik nicht mehr erwähnt.
Nach Meinung der Verantwortlichen war die Stadt wohl ausreichend beleuchtet gewesen. Entschieden anderer Ansicht waren aber die Steinheimer Bürger, die fortwährend Anträge auf Beleuchtung ihrer Straßenzüge mit unterschiedlichen Begründungen stellten. So lautete etwa der Antrag der Anwohner der Schiederstraße vom 15. Oktober 1873 folgendermaßen: „An sämtlichen Hauptstraßen hiesiger Stadt sind bereits Laternen angebracht, deren Beleuchtung auf Kosten der Stadt geschieht. Auf diese Angabe gestützt und mit Rücksicht darauf, dass unsere Straße wegen des darauf fortwährend liegenden Schmutzes, welcher hauptsächlich durch das Ein- und Austreiben des Viehes entsteht, höchst unpassierbar besonders des abends ist, ersuchen wir Wohllöbliche Magistrat und Stadtverordneten Versammlung ganz ergebens an dem Hause des B. Hagedorn oder A. Walter hier auf städtische Kosten eine Laterne anbringen zu lassen und die Beleuchtung ebenfalls auf Kosten hiesiger Stadt veranlassen zu wollen“. Es folgen die Unterschriften sämtlicher Anwohner. Laut Aktennotizen waren die meisten Anwohneranträge erfolgreich, einige wenige wurden jedoch mangels fehlender finanzieller städtischer Mittel abgelehnt.
Noch um 1900 schrieb Rechtsanwalt Rahde in seinem Gedicht „Mein Steinheim“ in der Steinheimer Zeitung: „Wachse mein Steinheim nun schneller und schneller, werde bei Nacht auch ne Kleinigkeit heller, daß man nicht Hals und Bein bringt in Gefahr“. Der Fortschritt zog um die Jahrhundertwende mit elektrisch betriebenen Straßenlaternen ein. Auf einem etwa um 1910 entstandenen Foto ist eine doppelt elektrische Straßenlampe vor dem Kump und ein gewaltiger Stromverteilungsmast zu sehen. Strom war wesentlich billiger als Petroleum und es verwundert deshalb nicht, dass sich der Steinheimer Rat Kostenvoranschläge für den Bau eines Elektrizitätswerks einholte, während er wohl den Bau eines Petroleumlagers am Bahnhof verwarf. Die Bauskizzen dieses Projekts, das die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft ausführen sollte, sind ebenfalls noch in der Akte erhalten.