Sprungziele
Inhalt

Die bewegte Geschichte des Steinheimer Rathauses

Die Steinheimer Bürger sind mit dem Anblick ihres schönen Rathauses bestens ver-traut, denn zumindest führt der ein oder andere Gang ins Bürgerbüro der Stadt, wel-ches sich dort befindet.

Das Rathaus wurde als ein sogenanntes Traufenhaus (d.h. mit der Breitseite zur Stra-ßenfront ausgerichtet), mit hoher Freitreppe und Wappenbekrönung über dem Hauptportal, im Jahre 1835 errichtet.

BauplanAnsicht
BauplanAnsicht

Den Vorgängerbauten, die mitten auf dem Marktplatz standen, waren schlimme Schicksale vorbestimmt gewesen. So berichtet ein Dokument von der gewaltigen Plünderung des Amtshauses im Dreißigjährigen Krieg durch die Truppen des Christian von Braunschweig am 3. und 4. Juli des Jahres 1622, bei der das Gebäude vollständig verwüstet, das Inventar zerstört und bewegliche Güter geraubt wurden. Die nüchterne Bestandsaufnahme hält auf mehreren Seiten fest: „Aus der großen Stube: Fenster mit dem Rah-men, alle Bänke, ein großer heißer Ofen, 2 Türen mit Schlössern und Türangeln, alle weg. Aus der Schreibstube: Tresor aus der Wand, eiserne Ofen, Bänke, eine Tür mit Schloß und Türangeln, Fenster mit Rahmen, weg. Im Keller: Alle Bierfässer, was nicht gar weg, zerhauen und zerschlagen, die eisernen Gitterstäbe aus den neu gemachten Mauern weg, Türen mit Schloß und Türangel weg. Der Brunnen: zerschmettert, voller Dreck, Holz und Steine geworfen“ (Übertragung aus dem Frühneuhochdeutschen von Autorin).
Etwa 100 Jahre später, im Jahre 1729, vernichtete eine verheerende Feuersbrunst den Bau, und ein neues Rathaus aus Fachwerk wurde errichtet.

Wiederum 100 Jahre später wünschten sich die Steinheimer jedoch ein neues Rathaus, in dem der Magistrat sowie eine Töchterschule untergebracht werden sollten. Doch dieser Wunsch stieß anfangs nicht auf das Wohlwollen der übergeordneten Behörden.
Eine umfangreiche Akte „Betreffend den Bau des neuen Rath- und Schulhauses -1826 bis 1851“ enthält den interessanten Schriftverkehr über die Planung eines neuen Steinheimer Rathauses. Hierin befinden sich nicht nur die ersten Bauentwürfe des beauftragten Architekten Engelbert Scheck, sondern auch eine akribische Auflistung der Kosten, welche für die unterschiedlichen Arbeiten und Materialien anfallen sollten.

Das erste Dokument besagter Akte ist ein Schreiben des königlichen Landrats an den damaligen Steinheimer Bürgermeister Vahle, in dem er vorschlägt, das alte Rathaus zu renovieren, da dieses kostengünstiger sei (25. Juni 1826): „Der Herr Bau-Inspector Eberhard hat mir am 22. gemeldet, daß er in Verfolg seiner Reise das dortige Rathhaus besehen hatte und solches noch in einem sehr gutem baulichen Zustand gefunden“ und weiter: „...daß das alte Rathhaus mit mäßigeren Kosten auszubessern ist“. Nach langem Hin und Her wurde jedoch der großzügige Neubau beschlossen. Wie der Bauplan zeigt, waren im Erdgeschoß ein Zimmer für den Polizeidiener, die Magistrats-Stube, die Registratur, eine Schulstube für 136 Kinder sowie ein Teil der Lehrerwohnung und im ersten Stock ein Nebenzimmer, weitere Räume der Lehrerwohnung, eine Schulstube für 140 Kinder sowie ein großer Versammlungsraum vorgesehen.

Auch die Stadtchronik berichtet über das Ereignis im Jahre 1835: „Im Monat Juni ward das, mitten auf dem Marktplatz hierselbst befindliche im Jahre 1729 aus Fachwerk erbaute alte Rathaus, abgebrochen und die brauchbaren Materialien zum Neubau verwendet. Ebenso wurde das bisherige unzweckmäßig eingerichtete Mädchenschulhaus zum Ab-bruch meistbietend verkauft. Am 30. Juni wurde unter anpassenden Feierlichkeiten der Grundstein zum neuen Rath- und Mädchenschulhaus gelegt und das Gebäude bei einer sehr günstigen Witterung in demselben Jahr unter Dach und Fach gebracht. Der Bauplan ist von dem Königlichen Bau-Conducteur Engelbert Scheck aus Warburg gefertigt, und hat derselbe auch die Mauer-, Zimmer-, Dachdecker- und Tischlereiarbeiten ausgeführt. Sämtliche Baumaterialien lieferte die Stadt, ebenso ließ dieselbe sämtliche Fuhren für bare Zahlung leisten. Das Gebäude kostete überhaupt nahe an 6000 Reichstahler“.

Das Innere des Rathauses wurde im Verlaufe der Zeit mehrmals umgebaut, und von 1984 bis 1986 erfolgte ein Anbau für die umfangreicher werdende Verwaltung. Wie an-derswo auch befand sich im Keller des Rathauses von jeher ein Ausschank, und die Stadt besaß das Recht, diesen Getränkeausschank zu betreiben und ihn jährlich neu an den Meistbietenden zu verpachten: „Die arme und in viel Beschwerlichkeiten steckende Stadt Steinheim hat seit ohndenklichen Jahren die Gerechtigkeit, auf dem Stadtkeller Wein, Brantwein und Bier zu versellen“ (1727). Der Pachtzins kam der öffentlichen Einrichtung zugute.

Allerdings legte die Stadt Steinheim im Jahre 1727 eine Beschwerde über den Rentmeister (Finanzverwalter des Landesherrn) bei der Paderborner Hofkammer ein. Dieser hatte unter dem Vorwand eines ohne Zweifel nicht der Wahrheit entsprechenden und betrügerischen Verordnung zwei Bürgern der Stadt erlaubt - zum Nachteil der Stadt und des Kellerwirts - Branntwein zu verkaufen. Aber auch der Pastor mischte kräftig bei dem Geschäft mit: Nach gelieferten Fudern Wein machten sie auf eine Maß einen Groschen Profit. Das Dokument schließt jedoch mit dem Vermerk: „An Rentsmeister und Pastor sich binnen 8 Tagen darüber vernehmen zu lassen“. Plus ça change! Frei nach dem Motto: Die Zeiten ändern sich ständig, einiges bleibt hingegen immer gleich!

01.09.2022