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Laudatio auf Christian Felber

Auslobung einer Ehrung für „Querdenker und Pioniere“ in Anlehnung und Erinnerung an „Reiner Reineccius – Der Steinheimer“

Video - Rede Bürgermeister Torke (1)

Video - Rede des Preisstifters Paul Löneke (2)

Video - Auszug aus der Laudatio Prof. Dr. Fahr (3)

Video - Preisverleihung an Christian Felber (5)

Video - Rede Christian Felber Teil 1 (6)

Video - Rede Christian Felber Teil 2 (7)

 

Sehr geehrter Herr Christian Felber,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Carsten Torke,
sehr geehrter Landrat Friedhelm Spieker,
sehr verehrte Festgäste,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sie, Herr Christian Felber, hier bei uns zu haben und auszeichnen zu dürfen, ist für uns alle hier Anwesenden, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Steinheim (und für mich persönlich) eine ganz besondere Freude.

Beschäftigt man sich mit Ihren Büchern, Ihren Interviews, Artikeln oder hat man das Glück, einen Ihrer Vorträge zu hören, so stellt man sehr schnell fest, dass Sie einen ganz deutlichen Weg vor Augen haben, ein klares Ziel verfolgen.

Sie sind ein international gefragter Referent, zeitgenössischer Tänzer, Hochschuldozent und Autor mehrerer Bestseller, die deutlich Position zur Neuorganisation des Wirtschaftssystems und des internationalen Währungs-und Handelssystem beziehen wie z.B.

  • „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt“,
  • "Neue Werte für die Wirtschaft",
  • „Gemeinwohl-Ökonomie“,
  • „Retten wir den Euro!“,
  • „Ethischer Welthandel – Alternativen zu TTIP, WTO&Co.“
  • Der Titel „Geld. Die neuen Spielregeln“ wurde als Wirtschaftsbuch des Jahres 2014 ausgezeichnet.

Ihr Engagement, Ihr Wirken zeigt, dass Sie eine starke Persönlichkeit sind. Sie gelten als konsequent, glaubwürdig, zielstrebig und fair. Sowohl Freunde als auch Kritiker achten Sie als intelligenten, unbequemen, hartnäckigen Nachfrager, der nicht müde wird, mit seinen Argumenten überzeugen zu wollen. Sie wollen die, die glauben es gäbe keine Alternative zu der Art wie wir Wirtschaft und Handel, aber auch Politik betreiben mit ihrem Querdenken aufrütteln.

Und das gelingt Ihnen. Inzwischen beschäftigen sich viele Menschen, Unternehmen, Institutionen und Parlamente in etlichen Ländern unserer Erde mit Ihrem Thema der Gemeinwohlökonomie und einer Ethischen Marktwirtschaft.


Sehr geehrter Herr Felber,

bevor ich gleich auf Ihre Denkanstöße ausführlicher eingehe, möchte ich zunächst einen kurzen Blick auf Ihre Vita werfen.
Sie sind am 9. Dezember 1972 in der Mozartstadt Salzburg geboren. Das Haus Ihrer Eltern, in dem Sie zusammen mit Ihren zwei Brüdern aufgewachsen sind, steht am Mattsee im österreichischen Alpenvorland.

Ihr Vater war Lehrer, Ihre Mutter hat sich um den Haushalt und um die Kinder gekümmert. Ihr Leben als Kind und Heranwachsender verlief in sehr geordneten Bahnen – geprägt von einer rechtskonservativen, bürgerlichen Weltanschauung. In dieser Zeit des Heranwachsens haben Sie sich als junger Mensch oft sehr einsam gefühlt und dabei viel Zeit in der Natur verbracht. In der Natur haben Sie eine Freiheit erlebt – sich gespürt - anders als im Elternhaus, in der Schule und der Kirche, in der Sie sich zensiert und eingeengt gefühlt haben.

In Ihrem ersten Buch, dem Gedichtband „Von Fischen und Pfeilen“ unter dem Motto „Wer nicht dicht ist, muss dichten“ haben Sie Ihren Gefühlen aus dieser Zeit freien Lauf gelassen, über Ihre innere Zerrissenheit geschrieben und in gewisser Weise mit der Ihnen bekannt gewordenen österreichischen, rechtskonservativen Weltanschauung abgerechnet.

Bevor Sie jedoch mit dem Schreiben anfingen, haben Sie ihr Elternhaus verlassen, um neue Facetten des Lebens kennen zu lernen. Am liebsten hätten Sie nach der Schule „Universalwissenschaften“ studiert, um „Das Ganze“ zu verstehen. Enttäuscht haben Sie festgestellt, dass keine Universität der Welt dieses Fach – diesen Magister des Studiums generale - anbietet.
So zogen sie los und haben in Wien und Madrid romanische Sprachen, Politikwissenschaften, Psychologie und Soziologie studiert. Insbesondere die Zeit in Spanien war für Sie ein ganz wichtiger Lebensabschnitt, der Sie geprägt hat. Spanien ist für Sie verbunden mit neuen Herausforderungen, neuen Erfahrungen, einem neuen Leben und einer veränderten neuen Lebenseinstellung. Dort hat sich etwas in Ihnen gefestigt - durch die Kontakte zu anderen Menschen, deren Lebenseinstellungen, haben Sie eine Überzeugung gewonnen, die Sie schon immer in sich gespürt hatten. Dort haben Sie Ihren Weg gefunden.

In Madrid sind Sie auch zum Tanzen gekommen und haben parallel zum Studium eine Tanzausbildung absolviert. Der zeitgenössische Tanz ist für Sie ein ganz wichtiges Element in Ihrem Leben geworden. Tanzen gibt Ihnen Kraft, Kreativität, Energie und eine innere Balance. Durch den Tanz haben Sie Ihre Liebe zum Körper und zur Bewegung gefunden.

Ihren Körper gefühlt, die Lust an Bewegung kannten sie schon vorher. So haben Sie in Ihrer Jugend Leichtathletik als Leistungssport betrieben. Da war das Spüren des Körpers noch lästig, die Bewegung galt dem konkurrierenden Messen mit anderen. Ich weiß, wovon ich spreche, so habe ich auch in meiner Jugend zeitweilig fünfmal die Woche als Leichtathlet trainiert... und was für Sie das Tanzen, ist für mich der Klettersport geworden.

Mit dem Tanzen feiern Sie Ihr Leben und genießen es und tun damit Ihrem Körper und der Seele etwas Gutes. Wer Ihnen beim Tanzen zusieht, erlebt einen Menschen, der auf die Musik und seinen Körper hört.

Neben dem Tanz gibt es noch etwas Wichtiges für Sie, aus dem Sie Kraft und Energie ziehen. Das ist Ihre Liebe zur Natur. Sie versuchen möglichst viel Zeit in der Natur zu verbringen und nutzen quasi jede sich bietende Gelegenheit in die Natur einzutauchen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. So schreiben Sie über die spirituelle Erfahrung, die Sie am Mattsee, dem Gewässer Ihrer Kindheit und Jugend gespürt haben. Mir ist auch berichtet worden, dass Sie, wenn die Gelegenheit besteht, zu jeder Jahreszeit ganz spontan in natürlichen Gewässern schwimmen gehen. Im letzten Winter sind Sie in einer fremden Stadt nach einem Vortrag ganz spontan in einen Fluss gesprungen, um zu schwimmen. Dabei sind Sie leider in eine Glasscherbe getreten und haben sich eine Fußverletzung zugezogen. Sollten Sie dies hier in Steinheim in unserem schönen Flüsschen, der Emmer, auch vorhaben, so kann Ihnen Bürgermeister Torke bestimmt eine schöne Stelle zeigen, an der Sie ohne Risiko auf Fußverletzungen ins Wasser steigen können.

Die Energie und die Kraft in Ihnen, von der ich vorhin schon gesprochen habe, scheint unerschöpflich zu sein. So haben mir Freunde von Ihnen berichtet, dass Sie keinen Urlaub brauchen, um Energie zu tanken und sich zu erholen. Und trotzdem sind Sie immer positiv und tiefenentspannt. In Ihnen steckt eine Unerschütterlichkeit, eine Zuversicht, etwas ändern und verbessern zu können aus der Erkenntnis heraus, es läuft etwas schief in der Welt und „ich muss etwas dagegen tun“. Vor Ihrem geistigen Auge sehen Sie Veränderungen in der Welt, die unausweichlich sind und sprechen den derzeitigen Systemen die Legitimation ab, für eine bessere und gerechtere Welt zu sorgen.

Ihre Freundin und Freunde bezeichnen Sie als unkonventionell, authentisch, ausgeglichen, sanftmütig, sensibel und spontan. Insbesondere Ihre Mitarbeiterin Frau Stögner kann manchmal beim Organisieren Ihrer Vortragsreisen an Ihrer Spontanität verzweifeln.

Zu den gerade aufgezählten Charaktereigenschaften kommt noch Bescheidenheit, Ihr Interesse an Menschen und die ökologische Konsequenz dazu. Zur Überraschung eines Reporters berichteten Sie, dass Sie sich weniger ausbezahlen als ihrem Bürochef. Bei Ihren Reisen ist es Ihnen wichtig, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, was Ihren Freunden schon den einen oder anderen Nerv gekostet hat, wenn ein gemeinsamer Ausflug zu organisieren war.

Überhaupt, Freundschaften sind Ihnen ganz wichtig. Sie brauchten Zeit um zu sich zu finden. Zunächst muss man sich spüren um über Empathie und Sympathie die anderen, die Freunde zu finden und zu schätzen. So – erlauben Sie den kurzen akademischen Exkurs – so versucht übrigens auch die neuere Forschung die Werke des von Ihnen heftig kritisierten Gründervaters der Marktwirtschaft, Adam Smith zu verstehen. Denn er hat in dem einen seiner beiden Hauptwerke das Funktionieren des Marktes über die Triebfeder des Egoismus erklärt, um in seinem zweiten Hauptwerk scheinbar im Widerspruch hierzu die Bedeutung der moralischen Gefühle für den anderen zu betonen. Zur Verwunderung der Forscher hat er beides in eine Vorlesung über Moralphilosophie vertreten– Egoismus – Empathie – Sympathie.

Sie besitzen eine radikale Ehrlichkeit. Sie sagen klar heraus, wenn Ihnen etwas nicht gefällt und muten dem Gegenüber diesbezüglich auch einiges zu.

Durch Ihr unermüdliches Engagement bzgl. Ihrer Ideen und Gedanken für eine bessere, gerechtere Welt polarisieren Sie und provozieren die Menschen, die die derzeitigen Systeme verteidigen. Das führt zu Kritik und Auseinandersetzungen. Kritik weckt Ihren Kampfgeist, obwohl Sie Kritik sehr ernst nehmen und darauf reagieren. Kritik beschäftigt Sie und Sie fragen sich dann oftmals, ob Sie vielleicht doch nicht richtig liegen oder wie Sie die Kritik sachlich und klar widerlegen können.

Sie arbeiten sehr viel und erreichen mit Ihren Büchern, Artikeln, Vorträgen und Fernsehauftritten eine große Zahl an Menschen, erfahren sehr viel positive Bestätigung. Trotzdem, so sagen Ihre Freunde, ist der Christian kein bisschen abgehoben, er folgt einfach seiner inneren Stimme, lebt und arbeitet aus Überzeugung und scheut keinen Konflikt.
Hier sieht man viele Parallelen zu Reineccius - dem Steinheimer, wie er sich selber nannte. Auch er hatte ein klares Ziel vor Augen, die konsequente Erforschung und Niederschrift der Weltgeschichte, seines Syntagmas.

Auch Ihr Denken ist umfassend. Ihr Ziel ist die Gemeinwohlökonomie. Sie werden dabei nicht müde zu betonen, dass jeher Ziel des Wirtschaftens das Gemeinwohl ist und sein soll, so lässt es sich in der Nikomachischen Ethik bei Aristoteles finden, bei Thomas von Aquin, Kant und vielen Verfassungen... nur –viele vergessen das und Unternehmertum, Wirtschaften, wird als Selbstzweck gesehen und eben nicht als Mittel für den eigentlichen Zweck, der Förderung des Gemeinwohls... und das hat viele Folgen: Das Bruttoinlandsprodukt wird als Maßstab für den „Erfolg“ einer Volkswirtschaft gesehen verbunden mit dem Glauben an unendliches Wirtschaftswachstum, der Glaube, dass sich der Preis natürlicher Ressourcen nur nach dem Aufwand für die Ausbeutung derselben bemessen lässt, die Missachtung der Würde der Arbeit ...und sei es ganz am Anfang der Wertschöpfungskette und und und...

Was leisten nun die Arbeiten von Christian Felber, für die er heute ausgezeichnet wird?

Zunächst hat er mit der Gemeinwohlbilanz ein Instrument geschaffen, oder vielmehr einen Prozess angestoßen, der messbar macht, inwieweit ein Unternehmen ethisch geführt wird, Christian Felber nennt es selbst das erste CSR-Instrument der zweiten Generation weil es die Kriterien Verbindlichkeit, Ganzheitlichkeit, Messbarkeit, Vergleichbarkeit, Verständlichkeit, Öffentlichkeit, Externe Prüfung und Rechtsfolgen erfüllt. Damit ist es tatsächlich ein weit umfassenderes und konsequenteres Instrument zur Messung der Verantwortung von Unternehmen als die herkömmlichen CSR-Instrumente, wie ich als Professor, der Corporate Social Responsibility (also CSR) zu seinen Lehr- und Forschungsgebieten zählt, was mir vermutlich auch die Ehre der Laudatio eingebracht hat, bestätigen kann.
Was sind nun diese Rechtsfolgen? Nun – Unternehmen mit guten Werten in der Gemeinwohlbilanz werden mit öffentlichen Aufträgen belohnt, erhalten die besseren Steuersätze als die Unternehmen mit schlechterer Gemeinwohlbilanz. Damit dies so ist, muss sich das Konzept der Gemeinwohlbilanz allerdings umfassend durchsetzen. Dies gilt auch für die Geldpolitik, die Staatsfinanzierung, den Welthandel, die demokratische Legitimation der EU-Verfassung, die Konvente. Christian Felber erzählt in seiner Rede darüber vielleicht gleich mehr, ansonsten verweise ich gerne auf seine Schriften.
Es ist also ähnlich wie mit Nachhaltigkeit. Alleine kann man nicht nachhaltig sein, genauso wie man alleine nicht das Gemeinwohl retten kann. Aber einer muss anfangen und es ist nicht nur einer.
Denn die Gemeinwohlbewegung gewinnt an Fahrt. Seit der Gründung im Oktober 2010 haben sich schon mehr als 2200 Unternehmen in 35 Staaten der Bewegung angeschlossen, darunter Hochschulen und Banken. In 2014 gab es die erste Gemeinwohl-Gemeinde in Spanien. Hier in Ostwestfalen haben wir mit den Apotheken der Familie Binder das erste Unternehmen mit einer Gemeinwohlbilanz. Ein Blick auf die ECOGOOD Map verrät, wo sich überall Gemeinwohl Regionalgruppe und Unternehmen mit einer Gemeinwohlbilanz befinden.
Selbst wenn sich nicht alle Visionen umsetzen lassen, so sind schon die bisherigen Impulse für ein ethisches Wirtschaften preiswürdig.

Die Stadt Steinheim hat mit der Veröffentlichung und Auslobung der „Reineccius-Medaille“ eine Plattform geschaffen, die Pioniere und Querdenker auszeichnet und ihre Arbeit würdigt und ehrt. Gleichzeitig wird damit beabsichtigt, einen Aufruf zu starten, auch heute Pioniergeist zu beweisen und quer zu denken.

Das „Querdenken“ ist auch heute noch genauso wichtig und gefragt wie in der bisherigen Geschichte der Menschheit, obwohl Pioniere und Querdenker oft unliebsame Zeitgenossen sind, die sich bestehenden Dogmen und althergebrachten Meinungen widersetzen, Bedenken anmelden und unliebsame Fragen jenseits gelegter Denkgleise und Handlungsmuster stellen. Sie stören die Gemächlichkeit ihrer Umwelt, rütteln an der Bequemlichkeit und Sorglosigkeit ihrer Zeitgenossen. Grundsätzlich geht es den Querdenkern darum, bestehende Missstände zu ändern und nach besseren Alternativen und Lösungen zu suchen.

Die Reineccius-Medaille wird an Persönlichkeiten überreicht, die mit ihren Ideen und ihrem unermüdlichen Engagement dazu beigetragen, die „Welt zu verändern bzw. zu verbessern“ und somit ein Vorbild insbesondere für junge Menschen sind. Über diese Vorbildfunktion möchten wir junge Menschen ermutigen und aufrütteln, über „den eigenen Tellerrand“ hinaus zu schauen, aktiv und kreativ zu sein und ihren Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.

Ich gratuliere der Stadt Steinheim ganz herzlich zu ihrer Entscheidung, in diesem Jahr die Reiner- Reineccius-Medaille an Herrn Christian Felber zu verleihen, denn diese Medaille geht in diesem Jahr an einen äußerst glaubwürdigen Verfechter für einen verantwortungsbewussten Umgang politisch und unternehmerischen Handelns.

Autor: Prof. Dr. Fahr